Corporate Identity: Was sie wirklich ist (und warum Du sie nicht designen kannst)

Portrait von Constantin Melchers tantin Consulting UG
Lesezeit: 6 Minuten
|
Letztes Update:
3.11.2025

tl;dr

Corporate Identity ist keine Designmaske, sondern die dynamische Schnittmenge aus strategischem Anspruch und gelebten Taten. Die meisten CI-Prozesse scheitern, weil sie Hochglanz-Leitbilder produzieren, die vom Alltag entkoppelt sind. Die 3 Säulen (Design, Communication, Behaviour) sind nicht die Identität selbst, sondern ihre Folge. Wahre Identität findest Du in 3 Schritten: Analysiere Deine Taten der letzten 3 Jahre, benenne die Lücke zwischen Anspruch und Realität, und definiere EINE konkrete Tat, die Du heute anders machst.

Audio-Summary des Beitrags

Corporate Identity ist die dynamische Schnittmenge aus dem strategischen Anspruch einer Organisation und ihren täglich gelebten Taten. Sie ist keine Designmaske, sondern die Summe dessen, wie Du den Hammer hältst.

Das widerspricht den meisten CI-Prozessen. Denn die klassische Lehre produziert genau das: perfekt designte Masken statt gelebte Identität. Sie führt 9 von 10 Organisationen direkt ins "Zwischen" – den lähmenden Zustand zwischen Erkennen und Handeln, in dem Du analysierst statt zu tun.

Hier ist die unbequeme Wahrheit: Wahre Identität ist kein Konzept, das Du designst. Sie ist die Art, wie Du den Hammer hältst.

Doch bevor wir in die Tiefe gehen: Lass uns kurz klären, wovon wir eigentlich sprechen.

Die Grundlagen: Was bedeutet "Corporate" überhaupt?

Corporate bedeutet "unternehmensbezogen" – es kommt vom lateinischen "corpus" (Körper). Corporate Identity ist also die Unternehmensidentität. Manche Modelle sprechen von 5 Säulen (Design, Communication, Behaviour, Culture, Philosophy) statt 3. Doch alle Modelle haben dasselbe Problem: Sie behandeln die Säulen als Ausgangspunkt statt als Folge.

Warum scheitern die meisten CI-Prozesse?

Die implizite Frage lautet: Warum ist der klassische Ansatz, Corporate Identity zu "entwickeln", so oft falsch?

Weil er Anspruch und Taten trennt.

Traditionelle CI-Prozesse produzieren einen "Purpose" auf Papier (den Anspruch), der von den täglichen Handlungen in der Werkstatt, im Meeting oder im Kundenservice (den Taten) völlig entkoppelt ist. Ein in einem Workshop designter Purpose ist die vornehmste Form der Selbstverleugnung. Er ist eine Maske, maßgeschneidert für den Markt, nicht ein Spiegel für den Kern.

Die 3 Symptome falscher CI-Prozesse

Du erkennst diese falschen Prozesse an drei Symptomen:

1. Theorie wirft keinen Schatten
Es entstehen Hochglanz-Leitbilder, Strategiepapiere und Markenbibeln, die im Alltag keine Spuren hinterlassen. Sie haben keine Masse, also erzeugen sie keinen Widerstand und keine Realität.

2. Fokus auf die Maske
Der Prozess konzentriert sich obsessiv auf das Logo, die Schriftart oder die Bildsprache (Corporate Design), bevor überhaupt geklärt ist, wer die Organisation im Kern ist (das "Wer").

3. Kultivierung des "Zwischen"
Man bleibt in endlosen Analyse-Workshops und Abstimmungsschleifen stecken – im lähmenden Wartezimmer der Strategie – statt eine einzige, mutige Entscheidung zu treffen und ins "Machen" zu kommen.

[→ Mehr zum Konzept "Das Zwischen"]

Was ist wahre Corporate Identity? (Die tantin-Definition)

Wenn CI also nicht das Design einer Maske ist, was ist es dann?

Wahre Identität ist die dynamische Schnittmenge aus strategischem Anspruch und gelebten Taten einer Organisation.

Sie ist kein statisches Dokument, das Du besitzt, sondern eine Praxis, die Du bist. Diese wahre Identität basiert auf zwei unteilbaren Säulen:

1. Strategischer Anspruch (Dein "Wer")

Dein unumstößlicher Kern – die Brücke zwischen dem, was Deine gelebten Taten der Vergangenheit beweisen, und dem, wer Du in Zukunft sein möchtest.

Es ist nicht die geschönte Wunschvorstellung aus dem Workshop. Es ist der ehrliche Vektor, der durch Deine Vergangenheit zieht und gleichzeitig die Richtung zeigt, in die Du Dich bewegen willst. Die Frage lautet: "Wer bist Du gewesen, wenn niemand zusah – und wer willst Du werden?"

2. Gelebte Taten (Dein "Machen")

Die Art, wie Du Deinen Hammer hältst – also die konkreten, wiederholten Handlungen, die Deine Organisation im Alltag vollzieht.

Es ist die Summe Deiner täglichen Handlungen, Deiner Kompromisse, Deiner Entscheidungen und der Dinge, die Du nicht tust. Es ist die Praxis, die Deinem "Wer" einen Schatten in der Realität wirft.

Sind die "3 Säulen" der Corporate Identity nutzlos?

Nein, aber sie sind falsch sortiert.

Corporate Design, Communication und Behaviour sind nicht die Identität selbst. Sie sind nur die unvermeidbare Folge einer klaren Identität.

Wenn Dein "Wer" (Anspruch) und Dein "Machen" (Taten) im Einklang sind, entstehen die drei Säulen von selbst – als ehrlicher Ausdruck Deines Kerns, nicht als aufgesetzte Fassade.

Die 3 Säulen neu gedacht (in der richtigen Reihenfolge)

1. Corporate Behaviour (Die Tat)
Das ist die einzige Säule, die zählt. Sie ist identisch mit Deinen "gelebten Taten". Es ist das Verhalten Deiner Organisation im Maschinenraum, nicht nur auf der Bühne.

2. Corporate Communication (Die Stimme)
Dies ist nicht die Tonalität, die Du in einem Workshop planst. Es ist die Sprache, die Du sprichst, während Du den Hammer hältst. Es ist die Art, wie Dein Vertrieb Einwände behandelt, wie Dein Support Probleme löst und wie Deine Führungskräfte Feedback geben.

3. Corporate Design (Der Schatten)
Dies ist nicht die Maske, die Du designst, sondern der unvermeidbare Schatten, den Deine Taten werfen. Dein Design ist nur das ästhetische Echo Deines Handelns. Wenn Deine Taten klar und mutig sind, wird Dein Design von selbst klar und mutig sein.

Der ehrliche Preis: Was dieser Ansatz von Dir fordert

Dieser Identitätsbegriff ist unbequem, weil er Dich entlarvt.

Er funktioniert wie ein Kontrastmittel, das gnadenlos die Lücke zwischen Deinem Reden (strategischer Anspruch) und Deinem Tun (gelebte Taten) sichtbar macht.

Dieser Ansatz zeigt Dir vielleicht, dass Dein Vertrieb anders verkauft, als Deine Website verspricht. Dass Deine Führungskräfte anders entscheiden, als Dein Leitbild behauptet. Dass Du seit 2 Jahren im "Zwischen" feststeckst – mit einem neuen Logo, aber ohne eine einzige mutige Tat.

Er zerrt Dich aus dem "Zwischen" – diesem komfortablen Wartezimmer der Analyse – und fordert eine echte, vielleicht schmerzhafte Tat statt einer weiteren Folie. Er nimmt Dir die Ausrede, erst noch ein neues Logo zu brauchen, bevor Du handelst.

Die Wahrheit: Du kannst Dir keine Identität geben, die Du nicht schon lebst. Alles andere ist Marketing – was legitim sein kann, aber nicht mit Identität verwechselt werden sollte.

Wie finde ich meine wahre Identität?

Du findest Deine wahre Identität nicht in einem Workshop. Du findest sie nicht in einer Präsentation.

Du findest sie, indem Du Deinen Taten schonungslos zusiehst und sie bewusst änderst.

3 Schritte aus dem "Zwischen"

Schritt 1: Analyse (Der Vektor)
Schau schonungslos zurück. Nicht auf Deine Pläne, sondern auf Deine Taten.

Was beweisen Deine Handlungen, Deine Einstellungen und Deine Projekte der letzten 3 Jahre? Welchen Vektor zeigt Deine Vergangenheit? Und ehrlich: Wohin willst Du wirklich? Sei brutal ehrlich – mit beiden Fragen.

Schritt 2: Konfrontation (Der Spiegel)
Wo ist die größte, offensichtlichste Lücke zwischen Deinem Anspruch ("Wer wir sein wollen" oder "Was auf unserer Website steht") und Deinen Taten ("Wie wir den Hammer tatsächlich halten")?

Benenne sie. Konkret. Ohne Ausflüchte.

Schritt 3: Der Sprung (Die Tat)
Definiere EINE kleine, konkrete Tat, die Du HEUTE anders machst, um diese Lücke zu schließen.

Nicht "man müsste" oder "wir sollten". Tu es. Denn der große Wurf ist eine Lüge. Es sind tausend kleine, konsequente Taten, die zählen.

[→ Mehr zum Konzept "Der Sprung"]

Fazit: Der Sprung

Hör auf, Deine Corporate Identity zu designen. Design ist Kosmetik, wenn der Kern fehlt.

Wahre Identität ist der Muskel Deiner gelebten Taten, genährt von der Klarheit Deines Anspruchs. Sie ist kein Dokument, das Du besitzt, sondern eine Praxis, die Du bist.

Dein strategischer Anspruch liegt auf dem Tisch. Deine Taten sprechen für sich.

Welchen Hammer hebst Du jetzt auf?

Häufig gestellte Fragen

Was ist Corporate Identity? (Definition)

Corporate Identity ist die dynamische Schnittmenge aus dem strategischen Anspruch einer Organisation und ihren täglich gelebten Taten. Sie ist keine Designmaske oder statische Dokumentation, sondern eine gelebte Praxis – die Art, wie Du den Hammer hältst. Der strategische Anspruch bildet die Brücke zwischen den gelebten Taten der Vergangenheit und dem, wer Du in Zukunft sein möchtest.

Was sind die 3 Säulen der Corporate Identity?

Die klassischen 3 Säulen der Corporate Identity sind:

  1. Corporate Design – Das visuelle Erscheinungsbild (Logo, Farben, Typografie)
  2. Corporate Communication – Die Art der Kommunikation nach innen und außen
  3. Corporate Behaviour – Das Verhalten der Organisation und ihrer Mitarbeiter

Wichtig: Diese drei Säulen sind nicht die Identität selbst, sondern die unvermeidbare Folge einer klaren Identität. Die richtige Reihenfolge ist: Behaviour zuerst (die Tat), Communication zweites (die Stimme), Design zuletzt (der Schatten der Taten).

Warum scheitern die meisten CI-Prozesse?

Traditionelle CI-Prozesse scheitern, weil sie Anspruch und Taten trennen. Sie produzieren einen Purpose auf Papier, der von den täglichen Handlungen völlig entkoppelt ist. Die Symptome:

  • Theorie wirft keinen Schatten: Hochglanz-Leitbilder ohne Auswirkung auf den Alltag
  • Fokus auf die Maske: Obsession mit Logo und Design, bevor der Kern geklärt ist
  • Kultivierung des "Zwischen": Endlose Workshops statt mutiger Entscheidungen

Ein in einem Workshop designter Purpose ist die vornehmste Form der Selbstverleugnung – eine Maske für den Markt, kein Spiegel für den Kern.

Wie finde ich meine wahre Corporate Identity?

Wahre Identität findest Du in 3 konkreten Schritten:

Schritt 1: Analyse (Der Vektor)
Schau schonungslos auf Deine Taten der letzten 3 Jahre. Was beweisen Deine Handlungen, Einstellungen und Projekte? Welchen Vektor zeigt Deine Vergangenheit – und wohin willst Du wirklich?

Schritt 2: Konfrontation (Der Spiegel)
Benenne die größte Lücke zwischen Deinem Anspruch ("Was auf unserer Website steht") und Deinen Taten ("Wie wir den Hammer tatsächlich halten"). Konkret. Ohne Ausflüchte.

Schritt 3: Der Sprung (Die Tat)
Definiere EINE kleine, konkrete Tat, die Du HEUTE anders machst, um diese Lücke zu schließen. Nicht "man müsste" – tu es. Es sind tausend kleine, konsequente Taten, die zählen.

Was ist der Unterschied zwischen Corporate Design und Corporate Identity?

Corporate Design ist nur eine der drei Säulen und betrifft das visuelle Erscheinungsbild (Logo, Farben, Typografie, Bildsprache).

Corporate Identity ist das Gesamtkonzept – die Summe aus strategischem Anspruch und gelebten Taten. Design ist nicht die Identität selbst, sondern nur der "Schatten", den Deine Taten werfen.

Die Falle: Viele Organisationen fokussieren sich obsessiv auf ein neues Logo, bevor sie klären, wer sie im Kern sind. Design ohne gelebte Identität ist Kosmetik ohne Fundament.

Was bedeutet "Corporate" auf Deutsch?

"Corporate" bedeutet "unternehmensbezogen" oder "das Unternehmen betreffend". Es kommt vom lateinischen "corpus" (Körper) und bezeichnet alles, was sich auf die Organisation als Ganzes bezieht – nicht auf einzelne Produkte oder Abteilungen.

Corporate Identity ist also die Unternehmensidentität – aber nicht als Logo-Sammlung verstanden, sondern als die gelebte Praxis, die eine Organisation von innen nach außen prägt.

Welche 5 Bestandteile hat die Corporate Identity?

Manche Modelle sprechen von 5 Säulen statt 3. Diese erweiterten Modelle fügen hinzu:

  1. Corporate Design (visuelles Erscheinungsbild)
  2. Corporate Communication (Kommunikation)
  3. Corporate Behaviour (Verhalten)
  4. Corporate Culture (Unternehmenskultur)
  5. Corporate Philosophy (Unternehmenswerte)

Kritisch betrachtet: Alle Modelle – ob 3, 4 oder 5 Säulen – haben dasselbe Problem: Sie behandeln die Säulen als Ausgangspunkt statt als Folge. Wahre Identität beginnt nicht bei der Anzahl der Säulen, sondern bei der Frage: Welchen Hammer hebst Du auf?

Was fordert dieser Ansatz von mir?

Dieser Ansatz ist unbequem, weil er die Lücke zwischen Reden und Tun entlarvt.

Er zeigt Dir vielleicht:

  • Dass Dein Vertrieb anders verkauft, als Deine Website verspricht
  • Dass Deine Führungskräfte anders entscheiden, als Dein Leitbild behauptet
  • Dass Du seit Jahren im "Zwischen" feststeckst – mit neuem Logo, aber ohne mutige Tat

Die Wahrheit: Du kannst Dir keine Identität geben, die Du nicht schon lebst. Er nimmt Dir die Ausrede, erst noch ein neues Logo zu brauchen, bevor Du handelst.

Über den Autor

Portrait von Constantin Melchers tantin Consulting UG

Constantin Melchers

Gründer von tantin Consulting – einem Think & Do Tank für strategische Selbstüberwindung.

Strategie beginnt für ihn nicht mit Antworten, sondern mit der richtigen Frage.

Sein Prinzip: anders statt besser.

Mit Wurzeln in der Philosophie und einem Blick fürs Wesentliche, begleitet er Organisationen durch Wandel – klar, mutig, wirksam.

Mehr erfahren
|
Substack Icon

Inhaltsverzeichnis