Humes Guillotine: Warum Deine Daten Dir niemals sagen werden, was Du tun sollst

Portrait von Constantin Melchers tantin Consulting UG
Constantin Melchers
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Lesezeit: 8 Minuten
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Letztes Update:
4.7.2025

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Was ist Humes Guillotine? Ein philosophisches Prinzip von David Hume, das besagt: Aus Fakten (Sein) lassen sich keine Handlungsanweisungen (Sollen) ableiten.

Was bedeutet das für Deine Strategie? Deine Datenanalyse zeigt Dir, was ist – aber niemals, was Du tun sollst. Diese Lücke zwischen Fakten und Entscheidungen kannst nur Du mit Vision, Werten und Mut schließen.

Praktische Anwendung:

  1. Trenne bewusst Analyse von Zielsetzung
  2. Nutze Werte als Kompass, nicht nur Daten
  3. Hinterfrage den Status Quo statt ihn mit Zahlen zu rechtfertigen

Der Kern: Große Strategien entstehen nicht aus Dashboards, sondern aus dem Mut, über die Daten hinauszuspringen.

Audio-Summary des Beitrags

Ein Alchemist des Mittelalters studiert seit Jahren die Eigenschaften von Blei. Seine Farbe, sein Gewicht, wie es schmilzt, wie es sich mit anderen Stoffen verbindet. Trotzdem wird daraus kein Gold.

Das ist Dein Strategieproblem in einer Nussschale. Du kannst Deine Unternehmensdaten noch so lange analysieren – sie werden sich nicht in eine Vision verwandeln. Dafür brauchst Du etwas, das kein Dashboard liefert: Den Mut zur Transformation.

Ein schottischer Philosoph namens David Hume hat dieses Paradox vor 300 Jahren auf den Punkt gebracht. Seine "Guillotine" trennt gnadenlos zwischen dem, was ist, und dem, was sein soll.

Und diese Trennung ist der Grund, warum Dein nächstes Dashboard-Update Dich nicht retten wird.

Die brutale Wahrheit über Fakten und Entscheidungen

David Hume, schottischer Philosoph und Provokateur des 18. Jahrhunderts, legte den Finger in eine Wunde, die bis heute schmerzt: Aus dem, was ist, folgt niemals das, was sein soll.

Klingt abstrakt? Ist es nicht.

Deine Verkaufszahlen sagen Dir nicht, ob Du expandieren sollst.
Deine Mitarbeiterbefragung verrät nicht, welche Kultur Du schaffen willst.
Dein Marktanteil flüstert Dir keine Vision zu.

Das ist Humes Guillotine in Aktion. Sie trennt gnadenlos zwischen zwei Welten:

  • Die Welt der Fakten (das "Sein")
  • Die Welt der Entscheidungen (das "Sollen")

Und hier liegt das Problem: Die meisten Führungskräfte glauben, wenn sie nur genug Daten sammeln, würde sich die richtige Strategie von selbst offenbaren.

Spoiler: Tut sie nicht.

Der gefährliche Tanz mit dem Status Quo

Kennst Du das? Diese Meetings, in denen jemand sagt: "Die Zahlen zeigen doch, dass unser Weg funktioniert." Oder noch schlimmer: "So haben wir es schon immer gemacht und siehe da, wir existieren noch."

Das ist die Status-Quo-Falle in Reinform.

Humes Guillotine warnt uns: Nur weil etwas funktioniert, heißt das nicht, dass es weiter funktionieren wird. Oder dass es das Beste ist, was Du tun kannst.

Ein Beispiel aus der Praxis:
Kodak dominierte jahrzehntelang den Fotomarkt. Die Zahlen waren großartig. Die Prozesse eingespielt. Dann kam die Digitalfotografie. Kodak hatte die Technologie sogar selbst entwickelt – aber die Daten sagten: "Filmrollen verkaufen sich noch gut."

Die Daten hatten recht. Bis sie es nicht mehr hatten.

Die Lücke, die nur Du schließen kannst

Hier wird es spannend: Wenn Fakten keine Richtung vorgeben, wer tut es dann?

Du.

Und das macht vielen Angst. Denn es bedeutet Verantwortung. Es bedeutet, dass Du nicht mehr hinter Zahlen verstecken kannst. Es bedeutet, dass Du eine Vision brauchst, die über Excel-Tabellen hinausgeht.

tantin nennt das den abduktiven Sprung, der kreative Akt, aus schwachen Signalen und fragmentierten Daten eine kohärente Zukunft zu formen. Gefolgt vom dionysischen Sprung, dem mutigen Schritt, diese Vision Realität werden zu lassen.

Drei Wege, Humes Guillotine für Deine Strategie zu nutzen

1. Trenne bewusst Analyse von Vision

Das Problem: Viele Strategiesitzungen vermischen Datenanalyse mit Zielsetzung. Das Ergebnis? Konfusion.

Die Lösung:

  • Schritt 1: Analysiere die Fakten. Was ist?
  • Schritt 2: Pausiere. Atme.
  • Schritt 3: Frage: Was wollen wir erschaffen? Unabhängig von dem, was ist.

Diese Trennung ist keine Schwäche – sie ist Deine Superkraft.

2. Nutze Werte als Kompass

Wenn Daten keine Richtung geben, was dann? Deine Werte.

Frage Dich:

  • Wofür stehen wir wirklich?
  • Was würden wir tun, wenn Geld keine Rolle spielte?
  • Welche Zukunft wollen wir für unsere Kinder schaffen?

Diese Fragen mögen weich klingen. Aber sie sind der härteste Teil der Strategiearbeit. Denn sie verlangen Klarheit über das, was wirklich zählt.

3. Mache den Status Quo zum Feind

Statt zu fragen "Warum sollten wir etwas ändern?", frage: "Warum sollten wir so weitermachen?"

Diese Umkehrung ist revolutionär. Sie zwingt Dich, den aktuellen Zustand zu rechtfertigen, nicht die Veränderung. Plötzlich wird Stillstand zur aktiven Entscheidung, die begründet werden muss.

Die unbequeme Frage, die alles verändert

Steve Jobs schaute nicht auf Marktdaten, als er das iPhone konzipierte. Er stellte eine andere Frage: "Was wäre, wenn ein Telefon mehr sein könnte?"

Das ist die Kraft von Humes Guillotine richtig angewendet. Sie befreit Dich von der Tyrannei der Daten und gibt Dir die Erlaubnis – nein, die Verpflichtung – zu träumen.

Also, hier ist meine Frage an Dich:

Wenn Deine Daten Dir nicht sagen können, was Du tun sollst – was sagt Dir Dein Mut?

Der Moment der Entscheidung

Humes Guillotine ist kein abstraktes philosophisches Konzept. Sie ist ein Weckruf. Eine Einladung. Eine Herausforderung.

Sie sagt: Hör auf, in Deinen Daten nach Antworten zu suchen, die dort nicht sind. Beginne stattdessen, die Fragen zu stellen, die nur Du beantworten kannst.

Denn hier ist die finale Wahrheit:

Große Unternehmen werden nicht von Daten gebaut. Sie werden von Menschen gebaut, die den Mut haben, über die Daten hinauszuschauen. Die verstehen, dass zwischen dem, was ist, und dem, was sein könnte, eine Lücke klafft.

Eine Lücke, die nur durch einen Sprung überwunden werden kann.

Deinen Sprung.

Häufig gestellte Fragen

Quellen

Hume, D. (1739) Ein Traktat über die menschliche Natur. [Übersetzung des Originaltitels: A Treatise of Human Nature]. London: John Noon.

MacIntyre, A. (1981) Der Verlust der Tugend: Zur moralischen Krise der Gegenwart. [Übersetzung des Originaltitels: After Virtue]. Notre Dame: University of Notre Dame Press.

Moore, G.E. (1903) Principia Ethica. Cambridge: Cambridge University Press.

Putnam, H. (2002) The Collapse of the Fact/Value Dichotomy and Other Essays. Cambridge, MA: Harvard University Press.

Searle, J.R. (1964) 'How to Derive "Ought" from "Is"', The Philosophical Review, 73(1), S. 43-58.

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