Wenn Deine Strategie nicht wehtut, ist sie keine

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Constantin Melchers
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Lesezeit: 10 Minuten
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Letzes Update:
28.5.2025

tl;dr

Die meisten Unternehmensstrategien scheitern, weil sie nur planen statt zu transformieren. Echter strategischer Erfolg erfordert den Mut zur Selbstüberwindung, den Sprung von der sicheren Position ins Unbekannte. Statt endloser Analysen braucht es Resonanz mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Der Artikel zeigt, wie Organisationen durch abduktive Sprünge und die Überwindung ihrer eigenen Identität zu echter Transformation gelangen. Praktische Reflexionsfragen und eine 48-Stunden-Challenge helfen beim Übergang vom strategischen Planungstheater zur lebendigen Strategiepraxis.

Audio-Summary des Beitrags

Du sitzt im Strategie-Workshop. Wieder einmal. Die Post-its kleben an der Wand, die SWOT-Matrix ist ausgefüllt, und alle nicken zustimmend. Doch tief in Dir weißt Du: Das hier wird nichts verändern. Es ist der gleiche Tanz wie letztes Jahr. Und das Jahr davor.

Die unbequeme Wahrheit? Die meisten Strategien scheitern nicht an der Planung. Sie scheitern am Mut zur Selbstüberwindung.

Das Strategie-Paradox: Warum wir planen statt zu springen

Stell Dir vor, Du stehst am Rand einer Klippe. Unten wartet das Meer der Möglichkeiten. Deine aktuelle Position ist sicher, aber begrenzt. Der Sprung würde alles verändern, aber er erfordert den Mut, die sichere Klippe loszulassen.

Genau das ist Strategie. Nicht der Plan. Der Sprung.

"Strategie ist ein Prozess der Selbstüberwindung – kein Plan, sondern eine Praxis. Nur im Sprung wird sie Realität."

Die meisten Unternehmen verwechseln Strategieentwicklung mit Planungstheater. Sie analysieren, modellieren, prognostizieren, aber sie springen nicht. Sie optimieren ihre Position auf der Klippe, statt sich in die Transformation zu stürzen.

Von der Analyse zur Resonanz: Ein neuer Weg

Die klassische Falle: Analyse-Paralyse

Du kennst das Ritual:

  • SWOT-Analyse (die jeden Teilnehmer langweilt)
  • Marktforschung (die bestätigt, was Du bereits weißt)
  • Benchmarking (das Dich zur Kopie macht)

Das Ergebnis? Eine 80-Seiten-Strategie, die niemand liest. Ein Plan, der in der Schublade verstaubt. Eine Organisation, die sich nicht bewegt.

Warum? Weil Analyse allein keine Energie erzeugt. Sie erzeugt Wissen – aber Wissen ohne Resonanz ist tot.

Der Resonanz-Ansatz: Strategie als lebendiges System

Was wäre, wenn Strategie nicht von außen nach innen entwickelt wird, sondern von innen nach außen wächst? Was, wenn sie nicht geplant, sondern kultiviert wird?

Hier kommt das Prinzip der strategischen Resonanz ins Spiel:

  1. Resonanz mit der Vergangenheit erfassen
    Welche Muster haben Dich hierhergebracht? Nicht die Erfolge, die sind offensichtlich. Sondern die verborgenen Kräfte, die Deine Organisation prägen. Die unausgesprochenen Regeln. Die kulturellen Echos.
  2. Resonanz mit der Gegenwart verstärken
    Wo spürst Du bereits die Energie der Veränderung? Nicht in den Strategiepapieren – in den Gesprächen an der Kaffeemaschine. In den Projekten, die ohne offizielles Budget laufen. In den Mitarbeitern, die mehr tun als sie müssten.
  3. Resonanz mit der Zukunft erzeugen
    Die Zukunft ist kein leeres Blatt. Sie sendet bereits schwache Signale. Der Trick ist nicht, sie vorherzusagen – sondern mit ihnen in Resonanz zu treten.

Reflexionsfrage: Welche inoffiziellen Initiativen in Deiner Organisation zeigen bereits den Weg in die Zukunft?

3. Resonanz mit der Zukunft erzeugen
Die Zukunft ist kein leeres Blatt. Sie sendet bereits schwache Signale. Der Trick ist nicht, sie vorherzusagen – sondern mit ihnen in Resonanz zu treten.

Reflexionsfrage: Welches schwache Signal am Markt erzeugt bei Dir gleichzeitig Angst und Aufregung?

Der abduktive Sprung: Wenn Strategie zur Kunst wird

Charles Sanders Peirce prägte den Begriff der Abduktion, jene Form des Schließens, die weder deduktiv noch induktiv ist. Es ist der kreative Sprung von fragmentierten Beobachtungen zu einer neuen Hypothese.

In der Strategieentwicklung bedeutet das:

Statt linear von A nach B zu planen, wagst Du den Sprung von A nach X und entdeckst dabei C, D und E. Es ist der Moment, in dem Du aufhörst, die Zukunft zu extrapolieren, und anfängst, sie zu erfinden.

Praktisches Beispiel: Der Abduktive Strategieprozess

Ein mittelständischer Maschinenbauer bemerkt drei schwache Signale:

  1. Junge Ingenieure wollen remote arbeiten
  2. Kunden fragen nach Nachhaltigkeitsdaten
  3. Ein Start-up bietet KI-gestützte Wartung an

Die deduktive Strategie würde lauten: Digitalisierung vorantreiben.

Der abduktive Sprung führt zu: "Wir werden zur verteilten Innovationsplattform für nachhaltige Industrielösungen."

Der Unterschied? Die erste Strategie reagiert. Die zweite erschafft.

Die strategische Selbstüberwindung: Nietzsche im Boardroom

Friedrich Nietzsche schrieb vom Übermenschen – jenem, der seine eigenen Werte erschafft. Übertragen auf Organisationen bedeutet das: Die wahre Strategie beginnt mit der Überwindung dessen, was Du zu sein glaubst.

Die drei Phasen der Selbstüberwindung

1. Das Kamel (Die Last der Vergangenheit)
Du trägst die Traditionen, Erfolgsrezepte und Glaubenssätze Deiner Organisation. Sie geben Stabilität – aber auch Schwere.

2. Der Löwe (Der Mut zum Nein)
Du wagst es, "Nein" zu sagen. Zu veralteten Geschäftsmodellen. Zu toxischen Kunden. Zu dem, was Dich erfolgreich gemacht hat, aber nicht erfolgreich halten wird.

3. Das Kind (Die Kraft der Neuschöpfung)
Du erschaffst neue Werte. Nicht aus Opposition, sondern aus Kreativität. Die Strategie wird zum Spiel – ernsthaft, aber nicht verkrampft.

"Transformation beginnt dort, wo wir aufhören, uns selbst zu kopieren."

Von der Theorie zur Praxis: Der Resonanzraum-Ansatz

Wie setzt Du diese Philosophie praktisch um? Hier ein erprobter Ansatz:

Der 6-Stunden-Resonanzraum

Statt monatelanger Strategieprozesse: Ein intensiver Dialogtag.

Vormittag: Die drei Zeitebenen erkunden

  • Vergangenheit: Welche Muster müssen wir durchbrechen?
  • Gegenwart: Wo ist bereits Bewegung?
  • Zukunft: Welche Möglichkeiten ziehen uns an?

Nachmittag: Den Sprung vorbereiten

  • Abduktive Hypothesen entwickeln
  • Resonanzpunkte identifizieren
  • Den ersten mutigen Schritt definieren

Das Besondere: Minimale Moderation. Maximaler Dialog. Die Strategie entsteht nicht durch Methoden, sondern durch Resonanz.

Strategie als Praxis: Die tägliche Selbstüberwindung

Eine Strategie, die nur einmal im Jahr aus der Schublade geholt wird, ist tot. Lebendige Strategie zeigt sich in täglichen Entscheidungen:

  • Montag: Du kündigst einem profitablen, aber sinnentleerten Projekt
  • Dienstag: Du investierst in eine verrückte Idee eines Mitarbeiters
  • Mittwoch: Du sagst Nein zu einem Kunden, der nicht zu Deinen Werten passt
  • Donnerstag: Du stellst jemanden ein, der Dich herausfordert
  • Freitag: Du feierst einen gescheiterten Versuch als Lernerfolg

"Strategie verändert die Welt nur, wenn sie uns zuerst verändert."

Die unbequemen Fragen, die echte Strategie stellt

Bevor Du den nächsten Strategieprozess startest, beantworte diese Fragen:

  1. Was müsste sterben, damit Neues entstehen kann?
  2. Welche heilige Kuh Deiner Branche bist Du bereit zu schlachten?
  3. Was würdest Du tun, wenn Scheitern keine Option wäre – und was, wenn es die einzige wäre?
  4. Welcher Teil Deiner aktuellen Strategie ist nur Selbstberuhigung?
  5. Wann hast Du das letzte Mal etwas zum ersten Mal gemacht?

Der Unterschied zwischen Optimierung und Transformation

Die meisten Strategien optimieren das Bestehende. Sie machen Dich besser in dem, was Du bereits tust. Das ist wichtig – aber nicht ausreichend.

Transformation bedeutet:

  • Nicht schneller laufen, sondern fliegen lernen
  • Nicht besser verkaufen, sondern neu erfinden, was Wert bedeutet
  • Nicht effizienter werden, sondern effective anders sein

"Organisationen verändern sich nicht durch Steuerung, sondern durch Resonanz."

Ein neuer Weg: Strategie als Lebenskunst

Was wäre, wenn Strategieentwicklung keine lästige Pflicht, sondern eine Kunst wäre? Eine Praxis der organisationalen Selbsterkenntnis und -überwindung?

Das erfordert:

  • Mut zur radikalen Ehrlichkeit
  • Demut vor der Ungewissheit
  • Neugier auf das Unbekannte
  • Ausdauer im Prozess der Transformation

Der erste Schritt: Vom Wissen zum Handeln

Du hast diesen Artikel gelesen. Du nickst vielleicht zustimmend. Aber was jetzt?

Hier Deine Challenge für die nächsten 48 Stunden:

  1. Identifiziere EINE strategische Entscheidung, die Du aus Angst aufschiebst
  2. Formuliere sie als Frage der Selbstüberwindung: "Was müsste ich loslassen, um...?"
  3. Mache einen kleinen, aber irreversiblen Schritt in diese Richtung

Denn merke: "Strategie ist ein Prozess der Selbstüberwindung – kein Plan, sondern eine Praxis. Nur im Sprung wird sie Realität."

Wenn Du bereit bist, den Sprung von der strategischen Planung zur strategischen Selbstüberwindung zu wagen, könnte der Resonanzraum-Workshop der Katalysator sein, den Du suchst. Es ist kein weiterer Strategie-Workshop, es ist der Beginn einer Transformation.

Quellen

Porter, Michael E. 1996. "What is Strategy?" Harvard Business Review 74(6): 61-78.

Drucker, Peter F. 1954. „The Practice of Management". New York: Harper & Row.

Kaplan, Robert S. und David P. Norton. 1996. „The Balanced Scorecard: Translating Strategy into Action". Boston: Harvard Business School Press.

Mintzberg, Henry, Bruce Ahlstrand und Joseph Lampel. 1998. „Strategy Safari: A Guided Tour Through The Wilds of Strategic Management". New York: Free Press.

Porter, Michael E. 1980. „Competitive Strategy: Techniques for Analyzing Industries and Competitors". New York: Free Press.

Porter, Michael E. 1996. „What is Strategy?". In: Harvard Business Review 74(6): 61-78.

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